Das Museum für Geschichte ist Teil des steirischen Universalmuseum Joanneum. Als Teil der permanenten Sammlungspräsentation wurde nun ‚100 x Steiermark‘ eröffnet. Eine nicht unumstrittene Ausstellung mit vielen Stärken, aber auch ein paar Schwächen…
Graz – 100 x Steiermark im Museum für Geschichte
15 Februar, 2018
15 Februar, 2018
Kurzbeschreibung
Das Museum für Geschichte ist Teil des steirischen Universalmuseum Joanneum. Als Teil der permanenten Sammlungspräsentation wurde nun ‚100 x Steiermark‘ eröffnet. Eine nicht unumstrittene Ausstellung mit vielen Stärken, aber auch ein paar Schwächen…
Im immer noch relativ neuen »Museum für Geschichte«
des Universalmuseum Joanneum Graz wurde im November ein weiterer Teil der
Dauerausstellung eröffnet. Unter dem Titel »100 x Steiermark« soll „Werden
und Wandel der Steiermark vom Hochmittelalter bis ins 21. Jahrhundert
schlaglichtartig“ veranschaulicht werden. Hierfür geht man genauso wie im
viel diskutierten »Schaudepot« neue Wege und setzt vor allem auf eine – sagen
wir mal unkonventionelle – Art der Gestaltung und Vermittlung.
Während in vielen Ausstellungen zumeist das
klassische Konzept „Raumtext+Objekt+Objekttext“ vorzufinden ist,
werden diese Strukturen hier aufgebrochen und neu gedacht. Raum- und Objekttexte
sucht man hier vergeblich – dafür gibt es viele Objekte zu bewundern!
Tatsächlich verzichteten die Ausstellungsmacher aber nicht gänzlich auf eine Beschriftung.
In Form von Fragen werden gewisse Objektgruppen umklammert und sollen den
Besucher und die Besucherin wohl dazu anregen, eigene Fragen an die Objekte zu
stellen. Antworten können in einem käuflich zu erwerbenden Heftchen gefunden
werden. (2€ an der Museumskasse im Eingangsbereich – Stand: Jänner 2018)
Zugegebenermaßen hadere ich schon einige Zeit mit
mir wegen diesem Beitrag über die neue Ausstellung. Nun hat der bekannte
österreichische Kunsthistoriker und Museologe GottfriedFliedl
Mitte Jänner in seinem Blog »Museologien«
sein ganz persönliches Ranking der zehn besten sowie der zehn schlechtesten
österreichischen Museen gebloggt hat. (»Hier« geht’s zum
Beitrag von Fliedls.) Unter die schlechtesten Museen schaffte es nun bei ihm
auch das »Museum für Geschichte«. Sagen wir mal ganz salopp: Gut kommt es nicht
weg…
Seitdem das »Schaudepot« im April vergangenen Jahres eröffnet wurde, höre ich in regelmäßigen Abständen verwunderte, verstörte und sogar empörte Reaktionen von Besuchern dieses Hauses. (»Hier« geht’s zu meinem ausführlichen Bericht über das Schaudepot.) Darüber grübele ich nun schon längerem und bin zu dem Fazit gekommen, dass ich beide Seiten – also die, der empörten Besucher, und auch die, der Ausstellungsmacher – verstehe und den jeweiligen Argumentationen zustimmen und doch gleichzeitig vieles überhaupt nicht nachvollziehen kann – auch wieder auf beiden Seiten.
Nun will ich alle Welt an meinen Gedanken und
Einschätzungen teilhaben lassen. Die meisten meiner Überlegungen münden in
Fragen, die entweder von mir nicht zu beantworten sind, oder für die es
generell keine „richtig passende“ Antwort gibt. Dennoch freue mich
auf zahlreiche Kommentare und Antworten. 🙂
Ausstellungsdesign
Beginnen möchte ich mit Gedanken zum Design. Sowohl
beim »Schaudepot« als auch bei »100 x Steiermark« steuerte das Grazer Büro
INNOCAD seine architektonischen Ideen bei. Während beim »Schaudepot« ein
„roher, industrieller“ Charakter im Vordergrund steht, greifen die
voll verspiegelten Objekttische in den Räumlichkeiten von »100 x Steiermark«
die Architektur der ebenfalls verspiegelten Prunkräume des Palais Herberstein auf.
Im »Schaudepot« waren noch die Netze, die über die Regale gespannt waren, ein
Hindernis für ungetrübtes Betrachtungsvergnügen – die verspiegelten Tische hingegen
bergen ganz andere Herausforderung für das menschliche Auge: Die Beleuchtung
spiegelt an den ungünstigsten Stellen. Man streckt, krümmt und bückt sich, um
manche Objekte ordentlich betrachten zu können. So elegant dieses Design auch
aussieht – und die Idee, dass man sich selbst in der Geschichte widerspiegelt
auch sehr reizvoll ist –, so komme ich nicht umhin mich zu fragen, ob nicht
hier das Design vor den Objekten kommt. In meinem Kunstgeschichtestudium hörte
ich vor Jahren mal die berühmte Formel „form follows function„.
In Punkto Ausstellungsarchitektur sollte die Funktion, also die optimale
Präsentation des Objekts, vor der ästhetischen Gestaltung kommen.
Zumindest sollte sich beides optimal verbinden – und nicht das eine oder das
andere im Vordergrund stehen… Dieses Fazit über das Zusammenspiel von
Ausstellungsdesign und Objektpräsentation muss aus meiner Sicht leider
drastisch ausfallen. Ich komme nicht umhin, hier der Ausstellungsarchitektur zu
unterstellen, sich in den Vordergrund zu drängen…
Beschriftung
Als weiteren Punkt möchte ich auf die
„Dekonstruktion“ der klassischen Beschriftungen kommen. Wie bereits
eingangs erwähnt, fehlt eine herkömmliche Beschriftung in der gesamten
Ausstellung gänzlich (auch im Schaudepot und in den Multimedialen Sammlungen).
In den einführenden Worten des Begleitheftchens schreiben die
Ausstellungsmacher durchaus selbstkritisch, dass die Fragen und Objekte auch andere
hätten sein können. Es wurden „Grundfragen, die Menschen und Gesellschaft
immer wieder auf Neue bewegen“, ausgewählt. Auf die Berücksichtigung der politischen
Entwicklung der Steiermark soll verzichtet werden. Man sieht sich als
Repräsentant einer Generation, die stellvertretend Fragen an die Vergangenheit
formuliert – und ist sich eben bewusst, dass jede Generation andere Fragen
stellt.
Nun bergen diese Fragen aus meiner Sicht aber aus
unterschiedlichen Gründen auch Tücken. Vordergründig hängt dies wieder mit dem
Ausstellungsdesign zusammen: Die gewählte Schriftart und auch die Schriftgröße
auf den Spiegeln sind an manchen „Stationen“ schlicht und ergreifend
nicht zu sehen oder erst nach intensiver Suche zu finden – was ein gewisses
Frustrationspotenzial beinhaltet. Zudem möchte ich an dieser Stelle die Kritik
G. Fliedls aufgreifen, der zwar vielleicht etwas bissig, aber eben
leider nicht unwahr zusammenfasst: „Es werden hier Fragen gestellt, die
z.T. schmerzhaft albern, z.T. einfach nur zynisch sind, die aber nicht nur
nicht beantwortet werden, sondern deren Beantwortung vom Besucher eingefordert
wird – dem man aber keine Hilfe dazu anbietet. Ein wenig ja, wenn man sich um
einige Euro ein Heftchen leistet. Dort gibts dann wahllos brauchbare und
unbrauchbare kleine Geschichten, die sie dann in Heimarbeit – ziemlich
vergeblich – zu einer Geschichte der Steiermark zusammenzubasteln versuchen
können.“
Mich würden hier tatsächlich auch die Beweggründe
interessieren, welche die Ausstellungsmacher dazu veranlasst haben, nicht nur
auf die „normale“ Beschriftung zu verzichten, sondern im Gegenteil in
diesem Begleitheftchen dann zum größten Teil ziemlich umfangreiche Texte anzubieten.
Und das, obwohl es einen Trend zu leichter Sprache in Ausstellungen gibt und
sich auch schon intensiv mit Textlängen, Zeichengrößen etc. auseinandergesetzt
wurde. Wie sagt man so schön: „Kann man mal machen.“ Aber der Sinn
entzieht sich mir irgendwie. Die Ausstellung ist nämlich keineswegs
„selbsterklärend“ – auch nicht, wenn man Ahnung von der Geschichte
der Steiermark hat…
Fliedl nimmt das »Museum für Geschichte« bzw. das
Schaudepot und die neu eröffneten Bereiche »100 x Steiermark« sowie vermutlich
auch Ausstellung zu den »Multimedialen Sammlungen« erst gar nicht mehr als
Geschichtsmuseum wahr. Er kritisiert, dass „weder erzählt, noch
gedeutet noch Erfahren von Zeitdifferenz gestiftet wird“. Diese Kritik
bringt mich zur Frage, was denn jetzt ein Geschichtsmuseum zu einem
„richtigen“ Geschichtsmuseum macht? Sind es nur die Objekte, die in
irgendeiner Form der Öffentlichkeit präsentiert werden? Sind es eben die
„Geschichten“ die erzählt werden, damit sich die Besucherinnen und
Besucher besser in der Geschichte/der Vergangenheit orientieren können? Kann es
eine allgemeine gültige Formel für ein gutes und vielleicht sogar erfolgreiches
Museum überhaupt geben?
Fragen
über Fragen
Auch wenn es mittlerweile viele Menschen gibt, die
sich intensiv mit Museen und Ausstellungen beschäftigen, so komm ich doch immer
wieder zu der Erkenntnis, dass man’s nie allen recht machen kann. (Und
unweigerlich habe ich den weisen Yoda im Kopf, der mir sanft zuflüstert: „Viel
zu lernen Du noch hast, junge Museologin!) Das Schaudepot des »Museum für
Geschichte« habe ich noch als gutes Beispiel bezeichnet, dass Museen auch mutig
sein müssen und neue Wege beschreiten sollten. Dass das Haus für den neuen Teil
der ständigen Ausstellung den Besuchern nun aber die Fragen vorgibt, die man an
die Objekte stellen soll – auch wenn sie selbst die Auswahl nur als
Orientierungshilfe verstehen –, das finde ich ganz persönlich dann etwas zu
„mutig“. Die Besucherinnen und Besucher sollten meiner Meinung nach
durch die Ausstellung selbst auf Fragen kommen können und dann vor allem auch in
der Ausstellung Antworten finden. Aber vielleicht bin ich da zu idealistisch…
Nichtsdestotrotz möchte ich an dieser Stelle alle
auffordern, in das »Museum für Geschichte« zu gehen und sich selbst ein Bild
von der dortigen Präsentationsform zu machen. Jeder Museumsbesuch ist wichtig!
Und das wunderbare Palais Herberstein ist immer einen Besuch wert! Ich freue
mich über andere Sichtweisen, neue Eindrücke, Erläuterungen und Kommentare hier
auf dem Blog oder gerne auch als Mail unter kontakt(at)museumundmehr.com!