Aachen – Der Talisman Karls des Großen

Mein erster Beitrag zu einer Blogparade! Der Infopoint Museen und Schlösser Bayern lud zur Blogparade, um Museumsperlen zu fischen. In meinem Beitrag geht es zwar nicht um Bayern, aber er kommt dafür von Herzen. 🙂

Aachen – Der Talisman Karls des Großen


31 Januar, 2016

31 Januar, 2016

Kurzbeschreibung

Mein erster Beitrag zu einer Blogparade! Der Infopoint Museen und Schlösser Bayern lud zur Blogparade, um Museumsperlen zu fischen. In meinem Beitrag geht es zwar nicht um Bayern, aber er kommt dafür von Herzen. 🙂


Der Infopoint Museen und Schlösser Bayern  ruft von 10. April bis 14. Mai 2017 zur Blogparade auf und als „Neo-Bayerin“ folge ich diesem Ruf natürlich gerne. Unter dem Hashtag #perlenfischen werden Bloggerinnen und Blogger sowie Museen und andere Kulturinstitutionen ihre persönlichen Museumsperlen vorstellen. Was für eine tolle Idee!!! Ich freue mich sehr darauf die ganzen schönen Perlen zu bewundern.
(Und meine erste Blogparade ist das hier auch noch! Quasi Perlenfischer-Azubi. Ich bin ganz aufgeregt…)

Die Aufgabenstellung klingt auf den ersten Blick einfach – die Tücke offenbart sich für die/den Museophile/n aber unverzüglich: Die Entscheidung welche Museumsperle man herauspickt fällt schwerer als gedacht. Nimmt man ein Museum als Institution, eine besondere Ausstellung, ein einzelnes Objekt, eine außergewöhnliche Präsentation? Perlen wie Sand am Meer!

(Noch dazu ruht museumundmehr.com ja gerade – aber die bisherigen Beiträge waren so inspirierend, dass ich einfach nicht widerstehen konnte auch eine Perle zu präsentieren. Irgendwo kann man sich immer noch ein bisschen Zeit freischaufeln… Die bereits veröffentlichten Beiträge zur Blogparade findet man übrigens ebenfalls hier.)

Die Replik des Talismans Karls des Großen

Meine Museumsperle ist ein eine Reliquie. Genau genommen die Replik einer Reliquie – die Replik des Talismans Karls des Großen. Ja, eine Replik oder Kopie ist für viele Museumsmenschen ein Sakrileg – schließlich will man authentische Objekte mit Aura und Geschichte im Museum finden/betrachten. (Achtung Pauschalisierung!) Die intensive Beschäftigung mit der Dauerausstellung des Centre Charlemagne hat mir in den vergangenen Monaten einiges Kopfzerbrechen bzgl. Authentizität und Originalität bereitet – das werde ich an anderer Stelle näher erläutern. Hier soll es jetzt erst einmal darum gehen, warum genau diese Replik des Talismans für mich eine Museumsperle ist.

Zurzeit plagt mich die »Sehnsucht« nach Aachen sehr, weshalb ich mich dann letzten Endes auch für ein Objekt mit Aachen- bzw. Karls-Bezug entschieden habe. (Der Karli hat ja seine Spuren auch in Bayern hinterlassen – also ist die regionale Nähe zum Infopoint Museen und Schlösser Bayern irgendwie eh auch da.) Mein letzter Besuch im Centre Charlemagne war am 13. Januar 2017. An diesem Tag wurde anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft zwischen Aachen und Reims eine kleine »Ausstellung in der Ausstellung« eröffnet. Gezeigt wurde die Replik des Talismans Karls des Großen, die ursprünglich von 13 Werkstätten der Gold- und Silberschmiedeinnung Aachen für das Karlsjahr 2014 gefertigt wurde. Heute ist der Talisman, wenn er nicht gerade auf Leihgabe-Wanderschaft ist, in der Dauerausstellung »Geschichte Aachens – Stadt Karls des Großen« des Centre Charlemagne zu sehen. Das Besondere an der Präsentation, die leider nur von 13. Januar bis zum 05. Februar 2017 anberaumt wurde, waren die fünf ausgewählten Interpretationen von Goldschmiedinnen und -schmieden die parallel gezeigt wurden. Als Besonderheit wurden auch eine detaillierte Aufschlüsselung der verwendeten Materialien sowie die Entstehungsgeschichte der Replik gezeigt.

Rückblick

Angeblich einst von Harun-al-Raschid, dem Kalif von Bagdad, als Geschenk an Karl den Großen gesendet, soll ihn dann Otto III. 1000 n. Chr. bei der berühmten Graböffnung – um den Hals Karls hängend – gefunden haben. Er befand sich bis ins 18. Jahrhundert im Aachener Domschatz ehe er 1804 dann den Hals von Joséphine, der Ehefrau von Napoleon I., zierte, die ihn dann familienintern weitervererbte. Erst nach dem 1. Weltkrieg übergab ihn Kaiserin Eugénie dem Erzbischof von Reims. Das (vermeintliche) Original befindet sich heute im Musée du Palais du Tau in Reims. Zur Reliquie wurde der Anhänger ursprünglich, da er mit den Haaren Mariens zwischen zwei großen Saphiren ausgestattet war. Nach seiner „Überführung“ nach Frankreich wurde stattdessen ein Glasfluss mit einer Kreuzreliquie eingearbeitet.

Im Grunde genommen ist alles vor dem 19. Jahrhundert reine Spekulation. In der Forschung sind sie sich lediglich über die Materialien einig und darüber, dass es wohl ein spätkarolingisches Werk ist. In der Kunstgeschichte wird die Form heute als Pilgerflasche gedeutet – der Aachener Dom bewahrt ja im berühmten »Marienschrein« neben dem Kleid Mariens und dem Enthauptungstuch Johannes des Täufers sowohl die Windel als auch das Lendentuch Jesu auf. Heiligtumsfahrten und Pilgerwesen spielten und spielen in Aachen immer eine große Rolle, was diese spezielle Form erklären könnte. Dass das Maßverhältnis demselben wie dem des Oktogons des Doms entspricht, welches wiederum auf den biblischen Tempel des himmlischen Jerusalems hinweist, würde eine Nähe zur Zeit Karls des Großen möglich erscheinen lassen.

Ob Karl der Große diesen Anhänger tatsächlich jemals getragen hat sei einmal dahingestellt – wetten würde ich nicht wollen. So geht es uns ja bei sehr vielen Exponaten die Zeit Karls betreffend. Wer sich näher über die karolingische Goldschmiedekunst informieren will, dem möchte ich den Katalog zur Karlsausstellung 2014 ans Herz legen und hier insbesondere den Band zu »Karls Kunst«. (van den Brink, Peter/Ayooghi, Sarvenaz (Hrsg.): Karl der Große – Charlemagne. Karls Kunst. Dresden 2014.) 

Chancen

Egal ob Original oder Replik oder ob von Karl persönlich getragen oder nicht – dieses Objekt ist eine großartige handwerkliche Leistung und als museales Objekt wunderbar inszenierbar. Die Replik dieses Talismans steht für die deutsch-französischen Beziehungen, für die Städtepartnerschaft von Aachen und Reims und für das Engagement der Goldschmiedeinnung und der Bürgerinnen und Bürger, die dieses Projekt im Jahr 2014 möglich gemacht haben. Eine „Neu-Präsentation“ im Jahr 2017 ist eine wunderbare Möglichkeit die Menschen wieder zu mobilisieren und ihnen einen Anreiz zu bieten in eine Dauerausstellung zu gehen, die sie womöglich schon mehrfach gesehen haben und eigentlich gar keinen großen Drang mehr Spüren „da schon wieder reinzugehen“

Natürlich hätte man hier im Centre Charlemagne noch mehr machen können. (Gut, man könnte ja immer mehr machen…)
Für mich ist nicht nur das Exponat selber, sondern auch diese Neu-Inszenierung eine „Museumsperle“. Ich möchte damit eine der Möglichkeiten aufzeigen, die ein kleiner Schritt sein kann, um aus festgefahrenen Traditionen auszubrechen. Die oft prekären finanziellen Lagen der Institutionen erfordert manchmal eben „kleine“ Ideen, wie bspw. einen Blick in die Herstellungsgeschichte zu gewähren oder den Besucherinnen und Besuchern auch die Hintergründe der Entstehung von Objekten – auch von Repliken – zu veranschaulichen.

Natürlich bin ich mir durchaus bewusst, dass es ganz viele Museen gibt, die auf diesem Gebiet kreativ sind und man X vergleichbare Beispiele aufzählen könnte. Gerade dieses Exponat ist auch definitiv kein „kostengünstiges“ Beispiel um Dauerausstellungen einen neuen Kick zu verpassen. Aber es geht ja hier vordergründig um Perlen –  und diese sind kostbar und oft sehr rar.

Die Replik des Talisman Karls des Großen ist mehr als eine schnöde Kopie ohne Authentizität und Aura.
Diese Museumsperle steht (für mich) für verschiedene – und vor allem wichtige – Aspekte der musealen Welt sowie der musealen (Re-)Präsentation.

Die Replik des Talismans Karls des Großen

Eine Replik

  • als Veranschaulichung der historischen und gegenwärtigen Handwerkskunst
  • als Chance für historisch-museale Vermittlung
  • als (länderübergreifendes) Kooperationselement
  • als Möglichkeit erstarrte Dauerausstellungen zu beleben
  • und vieles mehr…

In diesem Sinne:
Auch Repliken können Museumsperlen sein!
#perlenfischen